MBEM Bier Museum Check: Wir besuchen Home of Carlsberg, einem Vorbild der Bier Welt München
Artikel in der MBEM NEWS #23 vom Dezember: MBEM testet Home of Carlsberg:
Carlsberg: Viel mehr als nur Bier
„Gamle Carlsberg“ ist der Name eines Kopenhagener Stadtviertels. Gamle bedeutet auf dänisch schlicht „alt“. Auf einem, mehrere Straßenblöcke umfassenden Bereich stehen heute modernste Wohnblöcke, innovative Büroräumlichkeiten, vielfältige Kunstgalerien, Bühnen für Kleinkunst und über 150 Jahre alte, historische Gebäude der Carlsberg Brauerei. An mehreren Gebäuden und Plätzen steht in riesigen Buchstaben „Carlsberg“. Alles in diesem Stadtviertel geht auf die Brauerdynastie von Vater Jacob Christian (J.C.) und den Sohn Carl Jacobsen zurück.
1844begründete J.C. Jacobsen die „Carlsberg-Bryggerier Kjøbenhavn“ im Stadtteil Vesterbro (heute oft genannt Gamle Carlsberg). In der Tat liegt dieser Stadtteil etwas erhöht und inspirierte zum Namen „Carlsberg“. Eine große Statue des Brauerei Gründers steht jedoch nicht vor der alten Brauerei, sondern vor dem weltweit ältesten, offiziellen Bier-Forschungs-Institut, dem Carlsberg Laboratorium. Dort wurde die wissenschaftliche Forschung über Bierhefen 1875 begründet. Bis heute ist dies eine führendes Institut für Chemie, Biotechnologie und Feinhefen.
Die Familie Jacobsen überließ nichts dem Zufall. Von den wissenschaftlich erforschten Zutaten des Bieres, bis zur Braufabrik und hin zur Stadtentwicklung rund um das Firmengelände setzten Vater und Sohn entscheidende Akzente. Kopenhagen würde ohne den prägenden Einfluss der Jacobsens heute eine andere Stadt sein. Bier und Brauen prägten von Vesterbro ausgehend, wesentlich die dänische Hauptstadt. Der Einfluss ist bis heute sichtbar.
Ein ganzer Stadtteil Kopenhagens baut auf Biertradition auf: Gamle Carlsberg
Der Stadtteil Gamle Carlsberg ist so groß, dass der erhaltene Kern des Brauereigeländes gar nicht so einfach zu finden ist. Die zum Teil vier oder fünfstöckigen, modernen Wohn- und Arbeitsgebäude stehen eng beieinander und umschließen das historische Brauereigelände. Wie so oft, hat es in der Brauerei mehrmals gebrannt und die ältesten Teile gehen eher auf Ende des 19. Jahr-hunderts zurück. Dennoch funktioniert die Zeitreise sofort. Das moderne Kopenhagen ist schnell vergessen, denn im Innenhof stehen alte Pferdekutschen mit Carlsberg Bemalung und überall stehen große alte Holzfässer. Die historischen Backsteingebäude vollenden die Illusion 150 Jahre zurück in die Brauereigeschichte zu reisen. Für knapp 20 Euro Eintritt pro Person kann die selbstgeführte Tour starten. Zum Abschluss erwartet jeden zahlenden Gast ein im Preis inkludiertes Carlsberg Bier: Zur Wahl steht auch das sehr schmackhafte Carlsberg alkoholfreie Bier.
Garten und Innenhof zum Verweilen: HYGGE!
Wir hatten Glück und bei bestem Sommerwetter erstrahlte der Innenhof des Home of Carlsberg von seiner besten Seite. Es gibt einen kleinen, schön angelegten Garten, alles wirkt fast wie ein echter Biergarten. Innen gibt es einen (im Vergleich zu Heineken oder Guinness) deutlich kleineren „Brand Store“. Dafür kann sich jeder an mehr an gemütlichen Sitzgelegenheiten innen oder draußen erfreuen. Alles ist stilvoll erhalten und dänisch, zurückhaltendes Design ist ebenso unauffällig, wie der Eingang in die „Welt von Carlsberg“. Dies ist schlicht eine Tür im alten Gemäuer. Ein wenig wirkt alles, als ob es immer noch eine alte Brauerei wäre und keine Touristenattraktion. Dies ist äußerst bemerkenswert und sehr positiv hervorzuheben. Home of Carlsberg wirkt von außen eben „hygge“ und damit ganz typisch: Dänisch. Einladend. Gemütlich.
Liebe zum historischen Ambiente – Brauerei-Pferde
Im unscheinbaren und gekonnt designten Gebäude im Innenhof von „Home of Carlsberg“ wirkt alles, wie im Original. Zapfhähne aus Messing, alte Carlsberg Werbe-schilder aus Blech und es riecht nicht nur nach Bier, sondern vor allem nach Stroh, Heu und Pferden. Öffentlich zugänglich ist der Stall und die Unterkunft der Carlsberg Pferde. Groß gebaute und gutmütige Hannoversche Kaltblut und Juitländer Pferde sind für alle BesucherInnen ganz nah zu bewundern. Carlsberg pflegt damit die Tradition von Brauereipferden direkt am Ursprungsort. Vor 100 Jahren wurden wohl noch 200 Pferde gehalten. Heute bleibt die Tradition, die von begeisterten Pferdepflegerinnen fortgeführt wird. Es sollte nicht vergessen werden: ohne Pferde wären die schweren Fässer nicht zu den Gaststätten und zu den Menschen gelangt. Ohne tapfere Pferde kein Bier!
Die Carlsberg Brauereigründer grüßen als digitale Illusion
Die Räumlichkeiten von Home of Carlsberg sind in alten Gemäuern untergebracht und die Räume wirken zum Teil nicht sonderlich großzügig. Mit Bedacht wurde die alte Struktur der erhaltenen Brauereigebäude erhalten. Dafür wird auf wenig Fläche sehr viel Inhalt geboten! Flache, digitale Projektionsflächen schaffen rasch eine authentische, historische Umgebung. So begrüßt ein Schauspieler als J.C. Jacobsen mit begeisternder Rede die BesucherInnen.
Dänische Offenheit und Ehrlichkeit beeindruckt, als die Uneinigkeit von Vater und Sohn direkt thematisiert werden. Schnell steht man mittendrin im Familienstreit um Braukunst und um die zukünftige Ausrichtung des Bierunternehmens. In verblüffender Weise wird die zum Teil wohl erbitterte Uneinigkeit von Vater und Sohn unterhaltend dargestellt. Im Drängen um den richtigen Weg in die Zukunft verklagte der Vater den Sohn und eine Jahrzehnte dauernde Familienfehde entzweite nicht nur Städte. Letztendlich begründeten sich zwei verschiedene Biere das alte und das „Ny Carlsberg“ des Sohnes. Anstatt diesen legendären Streit auszublenden, wird dieser als Stärke der letztlichen Konzernentwicklung präsentiert. Sicher bleibt: Eine einzigartige und explosive Geschichte!
Trotz der erbitterten, fachlichen Feindschaft einte beide Jacobsen ihr äußerst hoch anzurechnendes Bestreben als Stifter und Wohltäter die dänische Welt zu verbessern. Große Teile des erwirtschafteten Vermögens flossen in die Carlsberg Stiftungen, die Carlsberg Forschungsinstitute und in die allgemeine Förderung des Gemeinwesens. Bis heute betreibt Carlsberg nicht nur das Brauerei-Imperium, sondern drei Stiftungen, zwei berühmte Museen und das Forschungslabor. Aus den Stiftungen werden zahlreiche gemeinnützige Initiativen finanziert. Vorbildcharakter, der auch in der Ausgestaltung der Wohnblöcke und der lebendigen Kulturszene in und um Gamle Carlsberg prägend wirkt.
Einen sammlerischen Höhepunkt bildet die Ausstellung von (angeblich – wir haben sie nicht nachgezählt) 22.000 Bierflaschen aus aller Welt. In mehreren fast 2 Meter hohen Vitrinen reihen sich in schier endloser Folge Bierflaschen. Es wirkt fast ein wenig wie ein Bierflaschen Labyrinth.
Wir entdeckten einige Reihen mit Münchner Bier Raritäten und Flaschen, die es wohl nicht einmal mehr in München selbst zu entdecken gibt. Die älteste, der ungeöffneten Flaschen stammt aus Großbritannien und ist älter als die Gebäude selbst: 1869.
Die Löwenbräu Aluminiumdose mit Kronkorken wirkt als Besonderheit. Besonders beeindruckt auch die Digitalisierung des Flaschenbestandes. Auf der Webseite homeofcarlsberg.com kann nach Jahr, Marke und Typ des Bieres der Bestand digital durchsucht werden. Einmalig!
Bier Erlebnis und Museums-Konzept
Home of Carlsberg verzichtet weitgehend auf vordergründige Werbeeffekte. Das Konzept ist bestens repräsentiert durch die einfache, historische und vollkommen unauffällige Eingangstüre (die Besucher leicht übersehen). Dänische Schlichtheit und Reduktion auf das Wesentliche. Dies sind bewusste Gestaltungselemente.
„Home“ ist ein ebenfalls eher zurückhaltender Begriff. Heimat ist eine Übersetzungsvariante. Es ist ein Besuch in den Ursprüngen. Ein Besuch bei Brauern. Der mit Liebe zum Detail gestaltete Innenhof mit Garten, Bar, Restaurant und Stallungen repräsentieren diesen Blick in die Vergangenheit. Ein Schritt zurück, wie es einmal war.
Dieses Konzept ist ein ruhigerer Gegenentwurf zur vielmehr auf Event, Unterhaltung, aber auch Geldverdienen ausgerichtete Guinness World. Im Home of Carlsberg wird auch ein wenig dänische Tradition und Heimat vermittelt. MBEM gibt 5 von 5 Punkten.
Digitale Interaktion
Die Nutzung neuester Präsentationstechniken ist auf höchstem Niveau. Die digitale Begrüßung durch J.C. Jacobsen und die mit etwas Augenzwinkern dargestellte Rivalität um das „beste Bier“ zwischen Vater und Sohn werden in den Filmillustrationen prägnant und gekonnt umgesetzt. Die Filmclips sind eher kurz. Brauerei- und Familien-geschichte als kurzweiliges Drama mit Happy End. Gefällig! Digitale Elemente werden immer wieder mit „echten“ Exponaten oder Illustrationen vermischt. Es entsteht – zum Teil auf engem Raum – eine gelungene Mischung einer Erlebniswelt. Es fehlen die modernsten Attraktionen, die Staunen erregen, dafür erstehen die beiden Gründer in ihren digitalen Präsentationen zu fast „echtem“ Leben. Die Zuschauer schauen und hören gespannt zu. Die Geschichte ist einfach unglaublich. MBEM vergibt auch hier 5 von 5 Punkten.
Präsentation von Exponaten
Die Bewertung der ausgestellten und präsentierten, historischen Sammlungs-stücke fällt uns etwas schwerer. Die gewählten und zur Schau gestellten Exponate wirken zum Teil eher wenig „spektakulär“. Wir fragten uns, ob die „vielleicht weltbeste Brauerei“ der Welt nicht mehr an originalen Ausstellungs-stücken zu bieten hat (als ein paar Medaillen oder Werbeschilder)? Dafür wirkt die Darstellung der Brauerei-Entwicklung interessant.
Die bemerkenswertesten Attraktionen bilden hier ggf. die Brauerei-Pferde, die direkt mit den Stallungen im Innenhof ihre Heimat finden. Dies ist authentisch und auch logistisch hervorzuheben. Dies ist wahre und sehr kostspielige Traditionspflege, die uns begeistert hat!
Den Höhepunkt bildet sicher die weltgrößte Bierflaschen Sammlung. Der recht Raum mit den sehr gut beleuchteten und präsentierten „Reihen endloser“ Bierflaschen ist sehr gelungen und einmalig in dieser Weise. Die Besucherin wird dort jedoch eher allein gelassen. Es gilt sich selbst, interessante Exponate zu herauszusuchen. Hier könnten interaktive Hilfsmittel weiterhelfen.
MBEM gibt 4 von 5 Punkten.
Gesamturteil: Es gibt nur ein Home of Carlsberg: 5 von 5 Punkten
Die „Heimat von Carlsberg“ ist eine gelungene und eine der weltbesten Bier Erlebnisstätten. Auf besondere Weise wird hier dargestellt, wie Bier, Brauer und verantwortungsvoll agierende Visionäre und Unternehmer die Entwicklung einer Großstadt wesentlich mitprägen. Das zurückhaltende und auf Authentizität aus-gerichtete Konzept wirkt gelungen und lädt zum Verweilen und Wohlfühlen ein.
Unterstützt MBEM e.V. Mitglied werden. Antrag hier herunterladen und uns per Mail zusenden.
info@biererlebnis.org
Wir freuen uns auf Euch!

